Im Online-Workshop „Arbeit, Altern, Assistenz“ des GAT-Instituts widmeten sich am 13.7.21 ca. 40 Teilnehmende den aktuellen Diskursen und Herausforderungen der Alters- und Pflegewissenschaften, deren große gesellschaftliche Tragweite nicht zuletzt durch die COVID-19-Pandemie sehr deutlich geworden ist. Im Workshop, in dem der Gerontologische Fachtag des Studiengangs Soziale Gerontologie, eine Transferveranstaltung des Saxony5-CoCreation-Labs „Fabrik der Zukunft“ und das GAT-Symposium miteinander verschmolzen, zeichneten sich die aktuellen Spannungsfelder der Alters- und Pflegewissenschaften klar ab, mit denen sich das Auditorium diskursiv auseinandersetze. Zudem wurde im Verlauf des Workshops die Rolle der Sozialwissenschaften im demografischen Wandel als Kritikerin und Innovationstreiberin deutlich.
Der vom Fachkräftemangel begleitete demografische Wandel erzeugt gerade in der Pflege sowohl enorme Herausforderungen als auch vielgestaltige Innovationen, die an diesem Tag diskutiert wurden. Die Zuhörenden erwarteten informative Vorträge der eingeladenen Rednerinnen und Redner. Für einen regen Austausch sorgten die 10-minütigen Diskussionen nach den Vorträgen zu den entsprechenden Fachthemen. Dadurch kam eine intensive Workshop-Stimmung auf und die Teilnehmenden konnten sich mit den Inhalten aus Lehre, Forschung und Praxis interaktiv auseinandersetzen (Chat & Liveschaltung). Die Eröffnung der Moderatorin der gesamten Veranstaltung Katja Knauthe (HSZG/GAT und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Görlitz) gab einen ersten thematischen Einstieg und skizzierte Trends in Digitalisierung und Pflege.
Vier der sieben Vorträge beleuchteten aktuelle Entwicklungen in den Bereichen Technologien und Assistenzsysteme in der Arbeits- und Lebenswelt älterer Menschen aus verschiedenen Perspektiven. Hierbei wurde besonders die Brisanz des Spannungsfelds zwischen der Förderung der Autonomie/Selbstbestimmung auf der einen und Kostensenkung/Technologieunterstützung auf der anderen Seite deutlich. Nicht nur Senior*innen selbst, sondern auch Wissenschaftler*innen und Beratende sind stets in Abhängigkeiten eingebunden. Prof. Dr. Michél Nitschke (TU Nürnberg) regte in seinem Vortrag deshalb das Auditorium an, gemeinsam über die hintergründigen Prämissen des Forschungsfeldes „Alter und Technik“ zu diskutieren, da diese einen entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung von Transferprojekten und Beratungen nehmen können. Damit löste er eine lebhafte Debatte aus, die sich noch durch den ganzen Tag zog. Daran knüpfte auch Bill Pottharst (GAT) an, der sich kritisch mit der teilweise zu beobachtenden Verengung auf technische Lösungen innerhalb der Gerontologie auseinandersetzte und die Perspektive und Motive der Nichtnutzenden von Technik in seinem Vortrag stark machte. Auch Daniel Reimann (GAT) eröffnete durch seine Untersuchung ein differenziertes Bild auf Technikbereitschaft und Techniknutzung älterer Menschen. Er stellte dabei heraus, dass beides nicht zwangsläufig kausal miteinander verbunden sein muss, sondern die Gründe für die Nicht-/Nutzung sehr vielschichtig und selektiv sein können. Lisa Kortmann (DZA) untersuchte in ihrem Vortrag die Geschlechteraspekte der Weiterbildungsteilnahme von älteren Arbeitnehmenden und zeigte auf, dass die Geschlechtszugehörigkeit im Vergleich zum jeweiligen Digitalisierungsgrad der Berufsbranche nur einen marginalen Einfluss auf die Häufigkeit der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Erwachsene hat. Allerdings sinke die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme von Frauen und steige für Männer je ausgeprägter der Digitalisierungsschub ausfällt, woraus sich eine Benachteiligungssituation für ältere Frauen in der Arbeitswelt ableiten ließe.
Im thematisch zweiten Block des Workshops widmeten sich Prof. Dr. Andreas Hoff, Prof. Dr. Martin Knoll und Monique Ritter (alle GAT) den gegenwärtigen Herausforderungen in der Pflege. Prof. Hoff, GAT-Institutsdirektor und stellvertretender Vorsitzender des Unabhängigen Bereits zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf , der die Bundesregierung zu dieser Thematik berät, präsentierte in seinem Vortrag die Auswirkungen der Vereinbarkeitsproblematik auf die Gesundheit und die Einkommenssituation pflegender Angehöriger im Lebenslauf. Im Anschluss stellte er die Arbeit des Beirats und dessen Handlungsempfehlungen zur besseren Vereinbarung von Pflege und Beruf vor. Mit der Vorstellung des neuen Pflegestudiengangs an der Hochschule Zittau/Görlitz und der damit verbunden Akademisierung des Berufsfeldes zeigte Prof. Knoll Möglichkeiten auf, wie zukünftig immer komplexeren Anforderungen in der Pflege begegnet und der Anschluss an die Pflegeausbildung in anderen europäischen Ländern erreicht werden kann. Monique Ritter eröffnete durch den Zwischenstand ihrer Promotion zum Thema „Rassismus in der Pflege“ wiederum Einblicke in ein äußerst brisantes, weil strukturierendes Moment dieses Bereiches, welcher bislang jedoch kaum wissenschaftliche Würdigung erfährt.
Die intensive Vorbereitung des Workshops aller Beteiligten ermöglichte den reibungslosen Ablauf, welcher vom Auditorium ausdrücklich gelobt wurde.
Das GAT-Institut dankt allen Beteiligten für ihre aktive Teilnahme und Beiträge. Wir freuen uns auf eine Wiederholung dieser Reihe voraussichtlich im Jahr 2023.